Badische Zeitung vom Samstag, 12. Februar 2005
"Kernkräfte" mit Visionen 
Badisch-elsässische Bürgerinitiativen erinnern sich an Bauplatzbesetzung im Wyhler Wald 1975

Redakteur Hans-Jürgen Truöl
KREIS EMMENDINGEN. "Das Symbol von Wyhl hat in alle Welt ausgestrahlt": Georg Löser, Wissenschaftler, Publizist und Energie-Netzwerker aus Gundelfingen, bringt das Engagement der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen auf den Punkt: Die Bauplatzbesetzung im Wyhler Rheinauewald vor 30 Jahren hat der internationalen Umweltbewegung wegweisende Impulse gegeben. Am 26. und 27. Januar gibt's in der Weisweiler Rheinwaldhalle ein großes Jubiläumsprogramm.

Bei einer Pressekonferenz warfen Sprecher der Badisch-elsässischen Gruppen gestern im Weisweiler Rathaus einen Blick zurück auf ihre Erfolge, wollten aber nicht in Nostalgie verharren. BI-Sprecher Erhard Schulz (Emmendingen) sagte, die Bürger am Oberrhein hätten vor 30 Jahren Geschichte geschrieben und ihre Heimat verteidigt. "Wir haben nicht nur 'Nai hämmer gsait" verkündet, sondern auch Zukunftswege aufgezeigt", so Schulz. Dazu gehören regenerative Energien, bekräftigte Weisweils Bürgermeister Oliver Grumber als Gastgeber: Er sei stolz, dass Weisweil in Baden-Württembergs "Solarbundesliga" bei Gemeinden dieser Größenordnung die Nummer 1 sei.

Klaus Bindner von der "Solarregio Kaiserstuhl" sagte, es sei hier bei uns tatsächlich möglich, bis zum Jahr 2035 etwa 60 Prozent des Energiebedarfs aus regenerativen Quellen zu erzeugen - eine Vision, die spontanen Beifall fand und auf das Ziel der Bürgerinitiativen hinwies, das elsässische Atomkraftwerk Fessenheim möglichst bald zu stoppen.

Die elsässische BI-Sprecherin Colette Marchal aus Bouxwiller sagte, dass Radioaktivität keine Grenzen kenne. Auch wenn es schwierig sei, müsse sich Frankreich auf den Weg des Atomausstiegs machen. Sie erinnerte daran, dass der Kampf gegen das Atomkraftwerk Wyhl Ausdruck einer Bürgerbewegung auf beiden Seiten des Rhein gewesen sei.

Philippe Hugoniot aus Biesheim, ebenfalls elsässischer BI-Sprecher, freute sich, dass es jetzt auch in der Nordwestschweiz aktiven Protest gegen Fessenheim gebe. Die neue rotgrüne Basler Kantonsregierung habe derartige Initiativen angekündigt. Sein Fazit "Fessenheim abschalten" wurde beklatscht.

Laut Löser sei es auch den Bürgerinitiativen zu verdanken, dass die Bevölkerung den Rhein nicht mehr als trennende Grenze empfand. Er protestierte dagegen, dass der geplante Eurodistrikt ausgerechnet "die beiden wichtigsten Themen" - Energie und Klimaschutz am Oberrhein - ausklammere.

Frank Baum (Staufen) rief die Einzigartigkeit der damaligen "Volkshochschule Wyhler Wald" ins Gedächtnis. Das breite Spektrum der Themen zwischen 1975 und 1988 sei Ausdruck der "Bewegung" gewesen. Pfarrer Peter Bloch (Sexau), damals BI-Sprecher, rief dazu auf, auch in Energiefragen die Verantwortung für die Zukunft nicht zu vergessen: "Von Atomkraft sind wegen der Halbwertzeit viele hundert Generationen nach uns betroffen". Doch es sei betrüblich, wie wenig wir aus Warnungen lernen würden: "Unser Planet wird weiter geplündert", warnte Bloch.


Info: Am Samstag, 26. Februar, beginnt um 17 Uhr in der Weisweiler Rheinwaldhalle die Großveranstaltung der Badisch-elsässischen Bürgerinitiativen mit Ständen, Ansprachen, Diskussionen, Bewirtung und Musik. Am Sonntag, 27. Februar, findet um 14 Uhr ein Gottesdienst am Rheinufer (Natorampe) bei Wyhl statt. Vom Gedenkstein wird anschließend zum ehemals besetzten Bauplatz im Rheinauewald gewandert. Programm: www.badisch-elsaessische.net

"Wyhl" hat viele und viel bewegt 
Vor 30 Jahren wurde im Rheinauewald der Bauplatz für das geplante Atomkraftwerk besetzt / Rück- und Ausblicke

Redakteur Hans-Jürgen Truöl
KREIS EMMENDINGEN. Vor 30 Jahren rückte der Ortsname "Wyhl" ins politische und mediale Rampenlicht Deutschlands. Ende Februar jährt sich ein Ereignis von großer Ausstrahlung: Die Platzbesetzung im Rheinauewald, die am 20. Februar 1975 begann, markierte seinerzeit einen Aufsehen erregenden Höhepunkt im Kampf gegen das dort vorgesehene Atomkraftwerk.

Seit ihren Erfolgen auf der politischen und juristischen Front ist es um die Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen ruhiger geworden. Herausgebildet haben sie sich - ebenso wie die legendäre "Volkshochschule Wyhler Wald" - als direkte Folge der Atomkraftwerkspläne im Rheinwald zwischen Wyhl und Weisweil. Nachdem der Standort Breisach nicht durchsetzbar war, wollte das damalige Badenwerk dort bauen. Die CDU-Landesregierung unter Hans Filbinger unterstützte dieses Projekt vehement. Die ganze Region geriet in Aufruhr. Die Bevölkerung am Rhein, im Breisgau und im Kaiserstuhl spaltete sich in der Frage der Atomkraft. Den Befürwortern standen entschiedene Gegner gegenüber, die immer mehr wurden und schließlich das zuerst Undenkbare schafften: die Landesregierung erklärte sich nach Jahren der Auseinandersetzung bereit, im Wyhler Wald kein Atomkraftwerk zu bauen. Die Erleichterung war groß - und "Cleverle" Lothar Späth, der sich in den "Offenburger Vereinbarungen" hervorgetan hatte, wurde Ministerpräsident.

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